Ich war am Ende. Einmal mehr. Ich hatte Schmerzen und war todmüde. Mit 16 Jahren diagnostizierte man «juvenile Polyarthritis», später nannte man es «Fibromyalgie», dann «Chronic Fatigue Syndrom». Ich setzte mich vergeblich mit dem Schmerzgedächtnis auseinander und versuchte es zu überlisten. Wenn ich dann ungesehen beinahe auf allen Vieren die Treppe hinauf kroch und weinend über der zu putzenden Badewanne hing, war ich wieder reif für einen Arztbesuch. Da sass ich erschöpft und stumm um Hilfe flehend. Kein Wunder sah der Rheumatologe eine depressive Frau mit «unklarem Schmerzprofil». Der ursprüngliche Schmerz, den ich noch als erträglich erachtete, hatte sich bereits durch starke Verspannungen ausgebreitet. Es folgten einige freundliche Fragen, das Abtasten des Skeletts und Beweglichkeitstests.

«Könnte es sein, dass ich Morbus Bechterew habe?», fragte ich meinen Rheumatologen Nummer 4 beim Hinausgehen. Ich hatte den Diagnosetest ausgefüllt und einige Punkte wiesen darauf hin. Der Rheumatologe verneint klar. Auf meine Frage, ob ein MRI Gewissheit bringen könnte, gab er mir eindeutig zu verstehen, dass ein MRI teuer sei und Sinn machen müsste.

Herausfordernde Monate folgten. Gemeinsam mit meinem Mann suchten wir Entlastung im Alltag. Wir verkauften unser Haus und zogen mit unseren 3 Teens in eine Wohnung. Meine Schwiegermutter unterstützte mich bei der Bewältigung der Wäsche, eine Haushalthilfe bei der Reinigung.

No Limits

In der Kirche lernte ich Esther kennen. Esther lebt mit Morbus Bechterew. Wir verstanden uns sofort. Der gemeinsame Glaube gab uns Hoffnung, auch in schwierigen Zeiten auf Gottes Hilfe zählen zu können. Wir vereinbarten, uns regelmässig zu treffen und über unsere «Limits», unsere Grenzen zu sprechen, diese gemeinsam auszuhalten und konstruktive Bewältigungsstrategien zu entwickeln. Wir wollten eigentlich Vollgas im Leben geben und wurden ausgebremst. Das Motto unseres Treffens war gesetzt:

In meiner neu bezogenen Wohnung trafen wir uns zu Kaffee und Kuchen. Es tat wohl, gemeinsam zu lachen, betroffen zuzuhören und manchmal auch einige Tränen loszuwerden.

Esther hörte mir zu und meinte bestimmt: «Du hast Morbus Bechterew!»

«Nein, habe ich nicht», gab ich zur Antwort. «Ich habe den Rheumatologen danach gefragt!»

«Geh zu meinem Rheumatologen! Er ist spezialisiert auf Morbus Bechterew!»

«Rheumatologe Nummer 5? Nein! Ich muss endlich die Situation akzeptieren, wie sie ist und damit leben!»

Esther wiederholte sich – bei jedem Treffen. Schliesslich vereinbarte ich einen Termin bei Rheumatologe Nr. 5 und ging hin. Ich fühlte mich schrecklich.

Er machte keinen psychologisch einfühlsamen Vorspann, sondern fragte direkt: «Wo haben Sie Schmerzen?» Ich antwortete überrascht: «Wollen Sie es wirklich wissen?» Er wollte es wissen und leitete alles in die Wege: Röntgenbild, Blutanalysen, Entzündungswerte und HLA-B27, ein MRI. Am Ende der ersten Konsultation stellte er nüchtern fest: «Die Chance, dass Sie Morbus Bechterew haben, steht bereits bei 60 %!»

Die Gesamtauswertung gab ihm recht: HLA-B27 positiv, eine aktive Achilles-Sehnenentzündung, im MRI waren im linken ISG (Iliosakralgelenk) Veränderungen erkennbar.

Esther meinte betroffen, aber nicht hoffnungslos: «Hab ich’s doch gesagt!»

Seither sind wir unterwegs – Esther und ich –, manchmal hören wir uns wochenlang nicht, dann wird wieder ganz intensiv gechattet oder telefoniert.

Gemeinsam gehen wir vorwärts, tauschen Rezepte, Artikel, neue Erkenntnisse der Wissenschaft aus und sprechen über Ehe, Kinder und Bewältigung des Alltags. Wir stärken uns gegenseitig den Rücken. Was für ein Geschenk, dass wir einander haben!